oder warum ich für minarchistischen Libertarismus bin
Ich glaube daran, dass Menschen grundsätzlich gut sind. Dass sie fähig sind, Verantwortung zu übernehmen – für sich, für andere und für die Gemeinschaft. Was wir brauchen, ist kein bürokratisch-wuchernder Staat, der alles reguliert, sondern ein Raum, in dem Freiheit wachsen kann.
Ein Staat, der zwar schützt und sichert aber auch ermöglicht. Der auffängt, nur wenn es nötig ist, und gleichzeitig Platz lässt für Eigeninitiative, Mut und Bewegung. Ein Staat, der sich auf das Wesentliche konzentriert und Menschen zutraut, das Ihre selbst zu gestalten.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig Absicherung sein kann. Es gab Phasen in meinem Leben, in denen ich auf Unterstützung angewiesen war. Dachte ich zumindest. Während Coronalockdown Theaterschule absolviert zu haben, war echt kein schöner Zeitpunkt. Ich war dankbar, dass es Hilfen gab. Gleichzeitig habe ich gespürt, wie schwer es dann war, sich daraus wieder in Bewegung zu setzen. Es hat mich gelähmt. Ich hab's mir in meinem künstlerischen Häuschen in meinem Kopf bequem gemacht, während andere in Ermangelung der Masken kaum geschützt in Supermärkten an der Kasse standen. Heute schäme ich mich dafür, obwohl die Umgebung mich sogar dazu animiert hatte.
Das war falsch. Hilfe darf nicht zu einer Bremse werden. Das System funktioniert nur, wenn es von moralischem Bewusstsein getragen wird. Bequemlichkeit und Anspruchsdenken haben hier nichts verloren. Das Ganze funktioniert nur, wenn wir uns ständig selbst fragen: Brauche ich das gerade wirklich? Oder kann ich stattdessen sogar geben?
Ich möchte eine Gesellschaft, die individuelle Stärke belohnt, ohne die Schwächsten zu übersehen. Eine Gesellschaft, in der Leistung nicht gedeckelt wird. Eine Gesellschaft, in der Einsatz belohnt wird und Wohlstand nicht beneidet und größtenteils weggenommen wird. Vor allem ist es nicht dasselbe, ob jemand sein Vermögen durch harte Arbeit, kluge Entscheidungen und persönliches Risiko aufgebaut hat – oder ob er es geerbt oder gewonnen hat. Letzteres wird bei uns aber nicht besteuert und ersteres fast zur Hälfte. Das führt nur dazu, dass die Menschen, die der Gemeinschaft helfen könnten, entweder in weiser Voraussicht auswandern oder an ihren Geschäftsmodellen so feilen, dass da kaum was in die gemeinsame Kasse fließt. Dabei spenden viele dieser Leute an verschiedene NGOs und Iniativen. Warum ist also die Steuer so verpönt? Weil diese Steuerkasse ein Bermudadreieck mit allverschlingendem Boden zu sein scheint. Weil keiner mehr konkret und anschaulich blickt, wofür er da eigentlich zahlt.
Wenn ich meinen Grafikdesignkunden eine Rechnung schreibe, möchten sie in der Regel zurecht wissen, welche Tätigkeit wie viel Zeit in Anspruch nimmt und ergo so und so viel kostet.
Ich möchte ein System, das transparent ist. Das mir zeigt, wofür ich zahle. So und so viel für die Schwächsten, so und so viel für die neue Autobahn, so und so viel für die Deutsche Bahn (das würde ich wahrscheinlich nach nächster Verspätung einklagen), so und so viel für medizinische Einrichtungen, für Schulen, für die Polizei. Natürlich, kann ich vieles über die Staatsausgaben online finden, aber die Transparenz seitens Nehmender wird nicht explizit angestrebt, und das ist verkehrt. Steuern sollen spürbar sinnvoll sein. Nicht als Belastung, sondern als verhältnismäßiger Beitrag zu etwas, das uns trägt.
Ich will auch, dass es sich lohnt, mehr zu tun. Dass Investitionsmut, Arbeit und Einsatz gut belohnt werden. Ich will, dass Erfolg nicht verdächtig ist, sondern inspirierend. Dass wir anderen Wohlstand gönnen, weil wir wissen: Ihr Erfolg bedeutet nicht unser Verlust. Im Gegenteil – wenn jeder Einzelne aufblüht, blüht das ganze Beet. Das leben ist kein Nullsummenspiel, eher umgekehrt – wir sind Multiplikatoren (obwohl dieses Wort so unfassbar abgelutscht ist).
Aber all das erfordert eine neue Ehrlichkeit. Vor allem mit uns selbst.
Ich weiß heute: In Zeiten, in denen ich vom Staat genommen habe, hätte ich etwas beitragen können. Ich hätte nur jemanden gebraucht, der mich daran erinnern würde: Du kannst. Trau dich.
Ein minimaler Staat braucht eine maximale Haltung. Er braucht Menschen, die sich trauen. Die Verantwortung wollen und können. Die nicht nur im staatlichen All-Inklusive-Hotel Rechte fordern, sondern sich fragen: Was kann ich beitragen?
Und ich glaube daran, dass viele Menschen diese Haltung in sich tragen, wenn man ihnen nicht alles abnimmt.
Denn wer Verantwortung übernimmt, spürt sein Leben auf eine andere Weise. Wer sich selbst trägt, erlebt Freiheit, und aus dieser Freiheit erwächst die Gemeinschaft.
Freiheit macht stark. Und Stärke verbindet. Es baut sich dann alles aufeinander auf, wie wenn man einen Dominosteinefall zurückspult.
Ich will keine Ellenbogengesellschaft. Ich träume von einer Gemeinschaft aus freien, verantwortungsvollen Menschen, die einander Rückenwind geben. Ein starkes Netz unter freien Seilen.
Minarchismus bedeutet für mich: nicht nur weniger Staat, sondern auch mehr Mensch.
Mehr Eigenverantwortung. Mehr Transparenz. Mehr freiwillige Solidarität, weil sie aus Überzeugung kommt.
Ich wünsche mir ein System, das ermutigt.
Eines, das sagt: Du kannst. Geh los. Wir stehen hinter dir.
Und wenn du fällst, wirst du getragen. Und zwar nur so lange, wie du es wirklich brauchst. Zu deinem Besten.
Der minarchistische Libertarismus steht für genau diesen Gedanken. Ein Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert: den Schutz der Grundrechte, Rechtssicherheit und die solidarische Absicherung in echten Notlagen. Z.B. nur Gerichte, Polizei, Armee, Krankenhäuser, Feuerwehr und Sicherung der absolut Schwächsten in Not werden vom Staat organisiert und getragen. Der Rest gehört in die Hände der Menschen, in den freien Markt. Dadurch sinkt die Steuerlast. Libertarismus, v. A. dessen anarchistische Variante, ist derzeit noch eine Utopie. Wichtige Fragen zur Justiz und Sicherheit sind weitestgehend ungeklärt. Dennoch beginnt jede Idee erst in den Fantasien. Und jeder Schritt in diese Richtung, und jeder Gedanke, der sich dahin vorantastet, ist fruchtbar. Dabei ist Minarchismus als Zwischenlösung sogar ziemlich lebensnah und schrittweise umsetzbar. Ich blicke da auf Argentinien, und kann aus eigener Erfahrung sagen - ich war dort im letzten August und habe mit verschiedenen Einheimischen geredet - wie produktiv diese Schritte sein können. Wie lebendig und empowert die Menschen dort wirken.
Vielleicht liebe ich dann auch meine Steuererklärung, wie mein argentinischer Guide-Kumpel, wenn ich weiß, dass mein Staat mir nur das Nötige nimmt, und das gebe ich gern.
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