Wenn zwei politische Lager unversöhnlich auseinanderdriften.
Wenn Religionsverschiedenheiten in Kriegen münden.
Wenn's unwiderruflich brennt, suchen wir alle plötzlich nach ihm. Nach dem gemeinsamen Nenner.
Die Politiker sind sich doch ähnlich, oder nicht? Zumindest sind sie alle als Berufspolitiker im gleichen Maße realitätsfremd, und die meisten gehen von der Demokratie aus, welche sie nur unterschiedlich auslegen. Oder nicht? Und die Religionen, die sich untereinander ähnlicher sind in ihrer Suche nach dem Sinn, als in Abgrenzung zu den militanten aber in der Regel zahnlosen Ateisten, die ihr Nicht-Glaube übermütig als absolutes Wissen darstellen. Meinen spirituelle Praktiken, bei all ihrer Vielfalt, im Kern doch oft dasselbe, oder nicht?
Ist es denn nicht so?
Nun ja, wenn's sich für alle Beteiligten noch nicht danach anfüllt, zwingen wir sie doch einfach in eine Bruchrechnung und kürzen so lange Details und Einzelheiten heraus, bis sich die Zahl sauber dividieren lässt.
Selbst im eigenen Leben versuchen wir ständig, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Einen roten Faden durch Brüche und Widersprüche in unserer Persönlichkeit und unseren Taten zu ziehen.
Oft misslingt es.
Eigentlich misslingt es immer.
Eigentlich misslingt es überall.
Dieses Gemeinsame, das alles durchdringt und teilbar macht, entzieht sich, obwohl wir es doch grad eben um die Ecke kommen sahen.
In der Mathematik ist es einfacher: Eins ist der einzige Teiler, den alle natürlichen Zahlen gemeinsam haben. Zwei ist es schon nicht mehr. Und drei erst recht nicht. Je größer der Teiler, desto weniger Zahlen lassen sich durch ihn teilen. Vielleicht ist genau das das Dilemma der Verständigung: Je allgemeiner ein Nenner, desto banaler wird er. Je spezieller, desto spaltender.
Man legt Seidenschnipsel übereinander, fein und schimmernd, aber flüchtig und extremst widerspenstig, in der Hoffnung, dass sie sich durch ein gemeinsames Muster ordnen lassen. Aber je mehr Schnipsel, je mehr Stimmen, desto schwieriger wird es.
Der gemeinsame Nenner ist ein Phantom. Und doch winkt er uns immer wieder mal hämisch zu, bevor er um die Ecke verschwindet. Und gerade darum lohnt sich die Suche. Eines Tages werden wir ihn
schnappen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, bevor er uns wieder entweicht.
Meine (vorläufige) Suche nach dem gemeinsamen Nenner, meine letzte Hausarbeit in Philosophie "Die Welt im Kästchenraster: Gefährdet die Auskategorisierung der Welt die Möglichkeit der Konsensfindung in heutigen Diskursen?" habe ich nun hier (zusammen mit ein paar anderen Veröffentlichungen) hochgeladen.
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