· 

1564 Wochen Leben

1564 Wochen

 

Ein Versuch der Rückrechnung (August 2024, kurz vorm dreißigsten Geburtstag). 

 

Dreißig Jahre. 

Das sind knapp elftausend Tage.
Es scheint echt nicht viel zu sein.

An die sechstausend davon habe ich in Russland verbracht.


Oder rechnen wir mal in Wochen. Dann sind's 1564.

 

1564 Wochen des Lebens seit der Geburt. Plus 37 im Mutterleib. 

 

Kennst du diese Wandkalender, die einen mahnen sollen: Nutz die Zeit, die dir noch übrig ist.
Jede Woche ein Kästchen, das man wegstreicht. 

Der geht dann in der Regel bis 90 Jahre. Knapp 5000 Kästchen. Das ist ziemlich optimistisch. 
Ich habe mich nie getraut, mir so einen zuzulegen.

 

Aber wenn man so zurückschaut, ist es echt ernüchternd.

1564 Wochen also.
Davon 365 Wochen Kindheit bis zur Schule.
Was extrem viel ist – dafür, dass ich kaum zusammenhängende Erinnerungen daran habe.


An die 200 Wochen Schul- und Uniferien. Reisen mit meinen Eltern, die Sommer bei der Oma in Sotschi.
321 Wochen pure Schulzeit. 


Gut 280 Wochen Uni. 


208 Wochen Arbeitszeit.
Davon rund 25 Wochen im Lockdown.

 

521 Wochen kenne ich meinen Mann.
417 davon sind wir verheiratet.
Seit knapp 400 Wochen bin ich Mutter.

 

360 Wochen hatte ich Übergewicht.

 

30 Wochen war ich magersüchtig.

 

Seit über 130 Wochen führt mein Herkunftsland einen Angriffskrieg.
Das ist fast ein Zehntel meines Lebens.

 

Ich habe an etwa 1000 Wochen meines Lebens mehr oder minder zusammenhängende Erinnerungen.
Der Rest ist weg oder wandert noch in tiefsten Ecken des Unbewussten.

 

Seit 15 Wochen schreibe ich über diese 1564 Wochen.

Versuche, sie zu greifen. Zu sortieren.

 

Immer wenn ich meine Erinnerungskiste mit all den emotional wertvollsten angesammelten Dingen aufmache, spült es diese Wochen wieder hoch.

 

Man könnte es immer weiter aufdröseln. 

Vielleicht auch in Monaten rechnen, davon gäb's dann 360.
Zu jedem Monat etwas notieren: Geschehenisse, Gefühle, was halt noch da ist.

 

Vielleicht wäre das ein Anfang.
Eine andere Form vom Kalender.

Einer, bei dem man nicht wegstreicht, sondern festhält, was so hartnäckig zu entwischen versucht.

 

UPDATE:

50 Wochen später.

Die kann man auf all das nun draufrechnen.

Auch auf den Krieg. Leider.

 

Der nächste Geburtstag schon im Nacken. Ich kann nicht wirklich sagen, ob die Zeit sich beschleunigt, wie wir alle im Smalltalk gerne klagen, oder ob sie doch in einer Schweb-Starre anhält und sich ewig zieht. Vielleicht tut sie beides. Die Quantenphysik hat uns immerhin in eine Art Dialektikdenke gezwungen, was die Zeit betrifft. So fühlt es sich auch an.