Der Klimawandel ist, abgesehen von den überall aufflammenden Kriegen, die größte Herausforderung unserer Zeit. Wir reden viel darüber und haben wenig tragbare Lösungen. Dann heißt es, die Konsumgesellschaft ist schuld. Es beginnt mit gut gemeinten Ratschlägen: weniger fliegen, regional einkaufen, Plastik vermeiden. Klar, ist das sinnvoll, dass wir achtsamer konsumieren. Aber indivuelle Konsumentscheidungen reichen bei Weitem nicht. Denn die entscheidenden Hebel finden sich nicht im Supermarktregal oder Kleiderschrank, sondern in der Art, wie Wirtschaft und Politik funktionieren.
Viele Menschen würden gerne klimafreundlich leben. Aber Nachhaltigkeit ist oft teurer. Ein reparierbares Gerät kostet mehr als ein Wegwerfprodukt. Faire Kleidung oder ökologische Elektronik sind Luxus. Klimaschutz muss aber der einfachere und günstigere Weg werden, sonst bleibt er ein Projekt für Besserverdienende.
Eines der zentralen Probleme für übermäßigen Konsum ist die sogenannte geplante Obsoleszenz. Produkte gehen früh kaputt, Ersatzteile gibt es kaum, die neuen Updates machen Geräte langsamer. Das zwingt zum Neukauf.
Warum ist das überhaupt erlaubt? Warum dürfen Hersteller Geräte bauen, die nach wenigen Jahren Schrott sind? Warum ist Reparieren teurer als Wegwerfen?
Wir brauchen endlich neue Rahmenbedingungen. Nachhaltiges Verhalten soll sich lohnen. Steuervergünstigungen für langlebige Produkte. Förderprogramme für Reparaturbetriebe. Eine verpflichtende Ersatzteilverfügbarkeit von mindestens 15 Jahren. Klare Kennzeichnungen zur Lebensdauer, zum Beispiel so eine Skala wie bei den Nutrizionswerten. Ein Langlebigkeitslabel wäre auch ein guter Anfang. Auch modulare Bauweisen bei Elektronik wie Smartphones, die man selbst reparieren kann, sollten unterstützt werden. Oder Leasingmodelle, bei denen das Gerät im Besitz des Herstellers bleibt. Dann hätte der Hersteller endlich ein Interesse daran, dass es lange hält.
Trotzdem landet die Debatte oft in einer Sackgasse. Schuld sind angeblich „die Konsumenten“. Oder „die Politik“. Beide Aussagen sind bequem. Wer ist „die Politik“, wenn nicht wir als Gesellschaft? Wer sitzt in den Konzernen, wenn nicht Menschen, die auf Anreize reagieren? Das Problem liegt im System selbst.
Die Frage ist also nicht, wer schuld ist. Sondern: Wie gestalten wir Rahmenbedingungen, die klimafreundliches Handeln möglich machen? Ohne Zwang. Ohne Bevormundung. Und ohne moralischen Zeigefinger.
Wir haben gesehen, wozu Verbote führen. Jetzt haben wir reißende Papiertüten, für die massenweise Bäume gefällt werden. Gleichzeitig liegen neben dem Obst im Supermarkt weiter Plastiktüten. Und wir verwenden täglich Mülltüten, die überall frei erhältlich sind. Der Bahnhof-Edeka darf übrigens immer noch Plastiktüten an der Kasse ausgeben. Papiertüten gibt's da keine. Warum? Vielleicht, weil man nicht will, dass kaputte Papiertüten die Glasflaschen auf den Bahnsteig kugeln lassen und der ohnehin ständig verspäteten Deutschen Bahn auch noch den letzten Stoß versetzen. Nun ja, solche absurden Zustände zeigen, dass gut gemeinte Verbote oft schlecht gemacht sind. Papiertüten, die reißen, helfen niemandem. Und sie sind nicht zwangsläufig umweltfreundlicher.
Warum kein besseres System? Zum Beispiel ein Stofftaschen-Leasing. Für wenig Geld. Zurück ins Geschäft, waschen, wiederverwenden. Funktioniert bei Getränkekisten, warum nicht auch bei Einkaufstüten?
Es gab ja kreative Ideen wie essbare Strohhalme. Und nein, sie haben sich nicht ausschließlich wegen des EU-weiten-Verbots durchgesetzt. Es ist genau umgekehrt: Das Verbot kam als eine verzweifelte Reaktion, weil sie sich auf dem Markt nicht durchsetzen konnten. Die ersten klimafreundlichen Strohhalme waren übrigens ein totaler Schrott. Die waren nicht reif für den Markt, weil sie eben nicht mit Vorlauf gefördert wurden. Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sie sich durch Förderung und Peer Pressure allein problemlos auf der EU-Ebene durchsetzen würden. Dann wäre es auch positiver von den Konsumenten aufgenommen. Mir wird nichts weggenommen. Ich nehme an einem neuen spannenden Trend teil. Also, wenn wir mit ein Paar Marketingkniffen und Social Media Werbung an erwachsene Menschen überteuerte Plüschtiere verkaufen können (ja, Labubus sind gemeint), sehe ich nicht, warum das nicht auch mit klimafreundlichen Strohhalmen gegangen wäre.
Genau das wäre ja der richtige Hebel: Innovation fördern, statt auf Verzicht zu setzen. Und nicht immer warten, bis der Gesetzgeber eingreift. Gute Lösungen brauchen keine Vorschriften.
Das sehen wir auch beim Bio-Label. Es gibt definierte Grenzwerte für Schadstoffe aber eben keine Nulltoleranz. Und diese Grenzwerte werden ausgereizt. Weil sie da sind. Weil man genau weiß, wie weit man gehen darf. Das ist das Problem bei rein regulatorischen Systemen: Sie werden technisch erfüllt. Aber nur soweit es nötig ist.
Warum kein neues Label? Ein Super-Duper-Bio-Label, das auf Freiwilligkeit basiert. Höchste Standards, nahe Nulltoleranz, getragen von Produzenten, die zeigen wollen, was möglich ist. Bestärkt durch Peer Pressure. Und schon haben wir den Bio-Standard angehoben.
Kann man das wirklich ohne Regulierungen durchsetzen? Wird dann nicht jeder, der Lust hat, sich den neuen Label einfach so draufdrucken?
Hier lohnt sich ein Blick auf libertäre Ansätze. Die setzen nicht auf harte Verbote, sondern auf klare Eigentumsrechte, Transparenz und dezentrale Organisation. Kein autoritärer Staat, der alles reguliert. Aber auch keine Wildwest-Ökonomie. Ein faires Spielfeld im produktiven Dazwischen.
Natürlich muss die Lebensmittelindustrie immer überwacht werden. Ein libertärer Staat, von dem ich träume, ist kein anarchischer. Ich stehe für einen moderaten Minarchismus. Ein Staat, der die Grundsicherung, Sicherheit, Gesundheit, Eigentumsrechte und Transparenz für die Interaktionen garantiert.
Ein Beispiel aber, wie es konkret funktionieren könnte: Die Atmosphäre gehört niemandem. Deshalb kann jeder CO₂ ausstoßen, ohne zu zahlen. Was, wenn ab jetzt jeder, der CO₂ in die Luft bläst, an die Allgemeinheit zahlen müsste? Diese Einnahmen wären dann auch tatsächlich an die einzelnen Menschen ausgeschüttet. So ähnlich funktioniert zum Beispiel bereits seit Jahren die Alaska Permanent Fund Dividend.
Ein weiteres Element des libertären Staates: dezentrale Kooperation. Lokale Energiegemeinschaften. Herstellerkonsortien mit transparenten Standards. Genossenschaften, die auf langlebige Produkte setzen. Keine globale Bürokratie. Alles freiwillige Zusammenschlüsse.
Und, ganz wichtig: Transparenz. Wenn Produkte offen gekennzeichnet wären: wie langlebig, wie reparierbar, wie umweltschädlich sie sind, entschieden Käufer informierter. Alleine das würde sich positiv Auswirken. Wir fahren ja auch langsamer, wenn uns ein böser Smiley in der 30er Zone von der digitalen Taffel entgegenstarrt.
Dafür bräuchte es Umweltfonds oder öffentliche Plattformen mit Bürgerbeteiligung. Transparenz ist hier entscheidend. Einnahmen und Ausgaben müssen für alle nachvollziehbar sein. Die Ausschüttung kann technisch automatisiert erfolgen, ähnlich wie bei Dividendenmodellen. Kontrolle erfolgt natürlich nicht allein über Peer Pressure. Noch zuverlässiger: Man könnte sie im System selbst verankern, zum Beispiel durch Blockchain-Technologie. Smart Contracts und transparente, manipulationssichere Transaktionen würden es ermöglichen, CO₂-Zahlungen nachvollziehbar zu machen, ohne dass man einer zentralen Autorität blind vertrauen muss. Man könnte beispielsweise ein öffentlich einsehbares, digitales CO₂-Konto pro Unternehmen oder Produkt einführen, in dem genau erfasst wird, wie viele Emissionen verursacht wurden und wie viel dafür bezahlt wurde. Einmal gespeichert, kann das niemand mehr nachträglich verändern.
Und für die Beitragserechnung und Auszahlung an die Bürger könnte man sogenannte Zero-Knowledge-Proofs verwenden. Das ist eine Methode aus der Kryptografie, bei der jemand nachweisen kann, dass er etwas besitzt, macht oder weiß, ohne den Inhalt selbst offenzulegen. Also zum Beispiel: Ein System kann bestätigen, dass ein Unternehmen seinen CO₂-Ausgleich korrekt geleistet hat, ohne dass es seine kompletten Betriebsdaten offenlegen muss. Genauso wären die Auszahlungen an einzelne Bürger überprüft. Vertrauen entsteht hier nicht durch Autorität, sondern durch mathematisch abgesicherte Strukturen. Genau das wäre die nächste Entwicklungsstufe für ein glaubwürdiges, dezentrales Nachhaltigkeitssystem. Die Blockchaintechnologie würde das heute noch nicht auf ein Schlag leisten können, aber ihre Entwicklung ist rasant und nicht zu unterschätzen.
Umso absurder wirkt es, dass wir Technologien wie Quantencomputing, Blockchain oder Zero-Knowledge-Proofs einfach den Lobbys überlassen. Warum nicht die technologische Avantgarde für eine libertäre Infrastruktur nutzen, die Menschen unabhängiger macht? Statt digitale Kontrollwerkzeuge in Konzernen oder Ministerien zu verankern, könnten wir sie in offenen, dezentralen Netzwerken einsetzen, um genau das zu erreichen, worüber alle reden: Nachhaltigkeit mit echter Transparenz und Mitgestaltung der Zukunft.
Heute verlassen wir uns auf staatliche Produktlabels und zentrale Kontrollinstanzen. Aber jeder weiß, wie fehleranfällig das ist. Wie schnell es Einflussnahmen gibt, wie viel Lobbyismus dahintersteckt. Selbst streng regulierte Branchen wie Ernährung oder Pharma sind nicht frei von Interessen und Einfluss. Wer also glaubt, staatliche Kontrolle sei per se neutral, vergisst die Realität politischer Machtkämpfe.
Dass Einflussnahme real ist, sehen wir auch an ganz anderen Beispielen. E-Zigaretten gibt es seit über 20 Jahren. Es gibt mittlerweile Millionen Dampfer, bei denen man Langzeitbeobachtungen machen könnte. Klar, wir wissen noch nicht alles. Aber wir wissen mit ziemlicher Sicherheit: Sie sind weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten. Trotzdem erscheinen immer wieder Artikel, die das Gegenteil behaupten. Immer wieder tauchen Behauptungen auf, sie seien „schlimmer als Tabak“. Ich höre es ständig in den Raucherecken. Warum so? Weil die Tabaklobby mächtig ist. Weil ein neuer Markt etablierte Interessen stört. Weil jede Regulierung auch dafür genutzt wird, um Innovation zu behindern. Um eigenen Lobby-Arsch zu retten. Das ist kein Zufall. Das ist System.
Deshalb braucht es neue Systeme. Systeme, in denen Informationen nicht durch Marketing-Abteilungen gefiltert werden, sondern durch überprüfbare Prozesse. Systeme, die nicht mehr verlangen, jemandem blind zu glauben.
Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Steuerungselement ist sozialer Druck. Wer Umwelt und Gesellschaft schädigt, verliert Kunden, Investoren, Mitarbeitende. Wer fair wirtschaftet, gewinnt an Vertrauen. So funktioniert die Peer Pressure.
Was viele zudem unterschätzen: Menschen verhalten sich kooperativer, wenn sie wissen, dass andere hinschauen. Das ist keine naive Hoffnung, sondern gut belegt.
Zum Beispiel das Experiment von Andreoni und Petrie: Teilnehmer eines Public-Goods-Games sollten Geld spenden – entweder anonym oder öffentlich. In der öffentlichen Variante stiegen die Spenden um rund 50 Prozent. Warum? Weil soziale Anerkennung zählt. Menschen geben nicht nur aus Altruismus. Sondern auch, um gut dazustehen. Ein anderes Beispiel: Bateson, Nettle und Roberts führten ein Experiment in einer Teeküche durch. Dort wurde um freiwillige Beiträge für Kaffee gebeten. In manchen Wochen hing ein Poster mit Blumen über der Kasse, in anderen Wochen ein Poster mit Augenpaaren. Das Ergebnis: In den Wochen mit dem Augenposter wurde fast doppelt so viel gezahlt. Der Eindruck, beobachtet zu werden, erhöhte das kooperative Verhalten signifikant.
Fehr und Fischbacher zeigten ebenfalls: Kooperation nimmt deutlich ab, wenn Menschen anonym handeln können. In offenen, beobachtbaren Situationen dagegen stieg die Kooperationsrate je nach Szenario um 20 bis 60 Prozent.
Auch bei Auktionen für wohltätige Zwecke zeigte sich: Wenn Gebote öffentlich gemacht wurden, stieg die Spendenhöhe messbar. Feldman und Price fanden heraus: soziale Sichtbarkeit ist ein entscheidender Anreiz. Die Menschen wollten nicht nur das Objekt ersteigern. Sie wollten auch sozial gut dastehen.
Was heißt das für den libertären Klimaschutz? Menschen sind soziale Wesen. Und sie handeln großzügiger, wenn sie sich als Teil einer Gemeinschaft erleben. Wenn ihr Handeln sichtbar ist. Wenn es Resonanz gibt. Ein System, das diese sozialen Rückkopplungen aktiviert, braucht weniger staatliche Kontrolle. Es funktioniert aus sich heraus.
Natürlich ist das kein perfektes System vom ersten Tag an. Es gibt keinen garantierten Über-Nacht-Erfolg. Aber es gibt eine Dynamik, die funktioniert. Und sie ist offen für Korrektur. Fehler passieren. Aber sie werden schneller sichtbar. Sie werden diskutiert. Und sie werden durch soziale Reaktion oft korrigiert.
#MeToo ist ein Beispiel. Kein Gesetz hat es ausgelöst. Es war öffentlicher Druck. Und es hat Wirkung gezeigt. Natürlich gab es dann im späteren Verlauf welche, die es auch ausgenutzt haben. Aber auch das wurde sichtbar und die Debatte wurde weiterentwickelt.
Was wir also brauchen, ist kein blinder Glaube an das Gute im Menschen. Sondern Strukturen, die gutes Handeln belohnen. Schlechte Entscheidungen unattraktiv machen. Märkte ehrlich machen.
Ein echter Markt heißt: Wer Ressourcen verbraucht, zahlt dafür. Wer dem Gemeinwohl dient, profitiert davon. Wer Verantwortung übernimmt, wird sichtbar belohnt. Dann braucht es keine zentrale Regulierung. Dann entsteht Dynamik von unten. Klimaschutz wird so kein Zwangsprojekt., sondern eine einzige logische Folge. Kein Moralisieren. Kein Verbieten. Das heißt jetzt Ermöglichen. Und das ist keine PR-Hülse. Das wäre wirklich so.
Libertarismus bedeutet nicht, alles zu dürfen. Es heißt, die Folgen des eigenen Handelns zu tragen. Wer glaubt, man könne einfach weiterwursteln wie bisher, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.
Der Klimawandel ist zu groß für Schuldzuweisungen. Aber nicht zu groß für eine Gesellschaft, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wenn man sie lässt.